über das musikalische Werk von Peter Battisti
Das Sammeln von Dingen, die man einmal brauchen könnte, ist die Eigenheit des Bastlers. Er verwendet, was er gerade zur Hand hat. Der Ingenieur zeichnet einen Plan, bevor er ans Werk geht.
Battisti ist ein Bastler.
Ton und Musikschnipsel, „mat.“, wie auf seinen Kassetten steht, sind das Ausgangsmaterial seiner Arbeiten. In handliche Teile zerschnitten, sich immerfort wiederholend, bilden diese Loops die Basis der Stücke. Sie werden so geschickt miteinander arrangiert, dass die einzelnen Elemente – durch Vermischung, Verfremdung, Überlagerung – nicht wiedererkennbar in den Hintergrund sinken und so in eine völlig neue Interaktionsstruktur zueinander treten und einen einzigartigen Klangteppich formen.
Battistis Stücke wirken vertraut, ohne dass man sie jemals gehört hat. Es sind assoziative Zusammenstellungen von Befindlichkeiten und Gefühlsstrukturen. Seine Samples arrangieren sich wie Gedankenfetzen in Fieberträumen. Grundmotive geben den Ton an, klingen anfangs klar und plausibel. Sie verändern durch die stetige Wiederholung langsam ihre Struktur, werden durchbrochen von Einwänden und Alternativvorschlägen. Diese, oft genug eingeworfen, können sich in Folge gegenseitig durchsetzen und einen neuen Loop formen, genauso gut aber dem ersten Gedanken wieder unterordnen. So können Stücke Dimensionen annehmen, deren Struktur bei einer Spieldauer von bis zu einer Stunde an der Grenze des hörbaren liegt (z.B. „unfortunately we have no reason to …“, 1984, Dauer: 62 min. ).
Wie ein aus einem Albtraum Aufgeschreckter beim erneuten Einschlafen an den Traum davor anknüpfende oder völlig neue Träume denkt, können Musikstücke ebenso ein Sammelsurium an kurzen in sich abgeschlossen Einzelstücken sein, die miteinander nur die Dauer des Schlafes bzw. der Kassettenseite gemeinsam haben. (z.B. „Milchstrassen sind an der Innenseite rot gefärbt“, 1987, Dauer: 47 min., oder „Camapu oder die 13 Bilder des Sumatra Kokos“, 1984, Dauer: 68 min.)
Battisti ist aber auch Ingenieur, wenn man seine Materialkassetten genauer unter die Lupe nimmt. Sammelt er Samples scheinbar nach dem Zufallsprinzip aus Filmen, oder Quellen, die mangels Beschriftung nicht nachvollziehbar sind, so plant er selbstentwickeltes Material auf Synthesizern (wie dem Korg MS-20 oder Jupiter 5) akribisch und spielt diese Ideen in verschiedensten Varianten ein. Oft unterscheiden sie sich nur durch dezentes Ändern von Tonhöhe, Taktung oder Klangfarbe. Erst bei genauem Hinhören fällt auf, dass sich auf einer Kassette mit 45 Minuten Spieldauer nicht eine Aneinanderreihung ein und desselben Elements findet, sondern dass es sich um Variationen handelt. Wie der Prozess des Zusammenfügens der einzelnen Elemente aussieht, ist nicht immer nachvollziehbar. So wurde zur Entstehungszeit der ersten Stücke ab 1983 kein Computer eingesetzt, sondern analog von Band auf Band gespielt. Loops wurden auf Endlostonbänder kopiert, oder nacheinander aufgebracht. Tochterkopien zu weiteren Tochterkopien mit zusätzlichen Elementen überspielt. Und selbst bei einer seiner letzten Arbeiten, „Can you read me“, 1995, Dauer: 29:30 min., die im wesentlich auf einer Sammlung von Audio-Material während eines Aufenthalts in Chicago basiert und auch als „Quality kills and quality love scenes“, 1993, Dauer: 30 min., in mehreren Varianten abgemischt wurde, finden sich alle Grundelemente auf Kassette.
Erst Auftragsarbeiten nach 1996, die jedoch nicht mehr zu ganzen Stücken geformt wurden (für diverse CD-ROM-Produktionen), entstanden am Computer bzw. wurden von Sampler und Synthesizer direkt in den Computer digitalisiert und dort arrangiert, beinhalten aber ebenfalls das Rauschen von digitalisierten Analogsamples. Die Tonqualität ist in Battistis Stücken untergeordnet. Neben dem Loop als Stilmittel ist sie vielleicht sogar das wesentliche homogenisierende Element, das manchen Stücken den zusammenhängenden Charakter gibt – eine von Battistis Arbeiten an der ELAK–Computermusik und Elektroakustik~ heisst auch „Das weisse Rauschen".
Die kompilierten Stücke des „elektroakustischen Gesamtwerks“ sind dennoch unvollständig. Battisti hat kein Werkverzeichnis angelegt. Es ist nicht möglich, aus seinen Kassetten, Tonbändern und DAT-Kassetten nachzuvollziehen, ob es sich um ein Stück handelt, um einen Versuch oder eine Variante. Im Speziellen können oft keine gesicherten Angaben über den Entstehungszeitraum gemacht werden. „geräusche“, „filmmusik2, „rem“, „variante“, „probe“, „1. variation“, „camapu“, „muster“ sind die Titel der Kassetten. Vielleicht werfen sie etwas Licht auf zwei Zitate Battistis aus einem Interview im ORF Kunstradio:
Peter Battisti
„Ich weiss leider nicht mehr, was das für ein Stück war ´84 – ist es das gewesen, das durch einen Irrtum in einer falschen Geschwindigkeit gesendet wurde?“
(Anm.: „Songs for (from) (of) the new heroe“, 1984, verschd. Versionen )
Peter Battisti
„Es ist noch nicht fertig eigentlich, muss ich sagen – durch das prozesshafte Arbeiten muss ich mir irgendwann sagen ‚jetzt ist es aus’ – es muss für mich stimmen, dann ist es ok – bei diesem Stück fehlt noch etwas, es ist noch nicht vollständig ausgereift“
(Anm.: „Can you read me Phase #2 und #3“, 1995, Dauer: 29:30 min. )
Wolfgang Oblasser
Das Sammeln von Dingen, die man einmal brauchen könnte, ist die Eigenheit des Bastlers. Er verwendet, was er gerade zur Hand hat. Der Ingenieur zeichnet einen Plan, bevor er ans Werk geht.
Battisti ist ein Bastler.
Ton und Musikschnipsel, „mat.“, wie auf seinen Kassetten steht, sind das Ausgangsmaterial seiner Arbeiten. In handliche Teile zerschnitten, sich immerfort wiederholend, bilden diese Loops die Basis der Stücke. Sie werden so geschickt miteinander arrangiert, dass die einzelnen Elemente – durch Vermischung, Verfremdung, Überlagerung – nicht wiedererkennbar in den Hintergrund sinken und so in eine völlig neue Interaktionsstruktur zueinander treten und einen einzigartigen Klangteppich formen.
Battistis Stücke wirken vertraut, ohne dass man sie jemals gehört hat. Es sind assoziative Zusammenstellungen von Befindlichkeiten und Gefühlsstrukturen. Seine Samples arrangieren sich wie Gedankenfetzen in Fieberträumen. Grundmotive geben den Ton an, klingen anfangs klar und plausibel. Sie verändern durch die stetige Wiederholung langsam ihre Struktur, werden durchbrochen von Einwänden und Alternativvorschlägen. Diese, oft genug eingeworfen, können sich in Folge gegenseitig durchsetzen und einen neuen Loop formen, genauso gut aber dem ersten Gedanken wieder unterordnen. So können Stücke Dimensionen annehmen, deren Struktur bei einer Spieldauer von bis zu einer Stunde an der Grenze des hörbaren liegt (z.B. „unfortunately we have no reason to …“, 1984, Dauer: 62 min. ).
Wie ein aus einem Albtraum Aufgeschreckter beim erneuten Einschlafen an den Traum davor anknüpfende oder völlig neue Träume denkt, können Musikstücke ebenso ein Sammelsurium an kurzen in sich abgeschlossen Einzelstücken sein, die miteinander nur die Dauer des Schlafes bzw. der Kassettenseite gemeinsam haben. (z.B. „Milchstrassen sind an der Innenseite rot gefärbt“, 1987, Dauer: 47 min., oder „Camapu oder die 13 Bilder des Sumatra Kokos“, 1984, Dauer: 68 min.)
Battisti ist aber auch Ingenieur, wenn man seine Materialkassetten genauer unter die Lupe nimmt. Sammelt er Samples scheinbar nach dem Zufallsprinzip aus Filmen, oder Quellen, die mangels Beschriftung nicht nachvollziehbar sind, so plant er selbstentwickeltes Material auf Synthesizern (wie dem Korg MS-20 oder Jupiter 5) akribisch und spielt diese Ideen in verschiedensten Varianten ein. Oft unterscheiden sie sich nur durch dezentes Ändern von Tonhöhe, Taktung oder Klangfarbe. Erst bei genauem Hinhören fällt auf, dass sich auf einer Kassette mit 45 Minuten Spieldauer nicht eine Aneinanderreihung ein und desselben Elements findet, sondern dass es sich um Variationen handelt. Wie der Prozess des Zusammenfügens der einzelnen Elemente aussieht, ist nicht immer nachvollziehbar. So wurde zur Entstehungszeit der ersten Stücke ab 1983 kein Computer eingesetzt, sondern analog von Band auf Band gespielt. Loops wurden auf Endlostonbänder kopiert, oder nacheinander aufgebracht. Tochterkopien zu weiteren Tochterkopien mit zusätzlichen Elementen überspielt. Und selbst bei einer seiner letzten Arbeiten, „Can you read me“, 1995, Dauer: 29:30 min., die im wesentlich auf einer Sammlung von Audio-Material während eines Aufenthalts in Chicago basiert und auch als „Quality kills and quality love scenes“, 1993, Dauer: 30 min., in mehreren Varianten abgemischt wurde, finden sich alle Grundelemente auf Kassette.
Erst Auftragsarbeiten nach 1996, die jedoch nicht mehr zu ganzen Stücken geformt wurden (für diverse CD-ROM-Produktionen), entstanden am Computer bzw. wurden von Sampler und Synthesizer direkt in den Computer digitalisiert und dort arrangiert, beinhalten aber ebenfalls das Rauschen von digitalisierten Analogsamples. Die Tonqualität ist in Battistis Stücken untergeordnet. Neben dem Loop als Stilmittel ist sie vielleicht sogar das wesentliche homogenisierende Element, das manchen Stücken den zusammenhängenden Charakter gibt – eine von Battistis Arbeiten an der ELAK–Computermusik und Elektroakustik~ heisst auch „Das weisse Rauschen".
Die kompilierten Stücke des „elektroakustischen Gesamtwerks“ sind dennoch unvollständig. Battisti hat kein Werkverzeichnis angelegt. Es ist nicht möglich, aus seinen Kassetten, Tonbändern und DAT-Kassetten nachzuvollziehen, ob es sich um ein Stück handelt, um einen Versuch oder eine Variante. Im Speziellen können oft keine gesicherten Angaben über den Entstehungszeitraum gemacht werden. „geräusche“, „filmmusik2, „rem“, „variante“, „probe“, „1. variation“, „camapu“, „muster“ sind die Titel der Kassetten. Vielleicht werfen sie etwas Licht auf zwei Zitate Battistis aus einem Interview im ORF Kunstradio:
Peter Battisti
„Ich weiss leider nicht mehr, was das für ein Stück war ´84 – ist es das gewesen, das durch einen Irrtum in einer falschen Geschwindigkeit gesendet wurde?“
(Anm.: „Songs for (from) (of) the new heroe“, 1984, verschd. Versionen )
Peter Battisti
„Es ist noch nicht fertig eigentlich, muss ich sagen – durch das prozesshafte Arbeiten muss ich mir irgendwann sagen ‚jetzt ist es aus’ – es muss für mich stimmen, dann ist es ok – bei diesem Stück fehlt noch etwas, es ist noch nicht vollständig ausgereift“
(Anm.: „Can you read me Phase #2 und #3“, 1995, Dauer: 29:30 min. )
Wolfgang Oblasser